Vampyr (Deutschland, 1932) Regie: Carl Theodor Dreyer

Vorher:
Wie lange ist Panzerkreuzer Potemkin jetzt her? Ungefähr ein halbes Jahr. Frechheit! Und dabei hatte ich mir vorgenommen mit vollem Elan die Stummfilmwelt für mich zu entdecken. Das hat ja mal so gar nicht geklappt. Jetzt wage ich mich aber mal wieder ran. Vampyr ist ein, äh klar, Vampir Film vom Dänen Carl Theodor Dreyer. Nachdem ich Nosferatu und Das Kabinett des Dr. Caligari als Teenager mit Begeisterung gesehen habe, erwarte ich auch jetzt eine gute Zeit mit wohligem Gruseln. Seid gespannt, wie mir der Ausflug in die Gruselstummfilmwelt gefällt.

Mittendrin:
Es ist kein Kind hier.

Wollen sie nicht bei uns bleiben?

Oh könnt ich nur sterben.

Ich habe Angst zu sterben. Ich bin verdammt. Mein Gott. Mein Gott.

Sie darf nicht sterben. Sie muss bis zum Sonnenaufgang am Leben bleiben. Hören Sie.

Hinterher:
Was bin ich denn bloß für eine Cineastin? Das ist gar kein Stummfilm. Obwohl ich zu meiner Ehrenrettung sagen muss, dass der Ton hier schon besonders eingesetzt wird. Das Geschehen wird durch Texttafeln erklärt. Die Einführung in den Vampirmythos geschieht indirekt durch ein Buch, in dem die Protagonisten sich schlau machen und der Zuschauer liest mit. Die Tonsequenzen sind nur kurze Dialoge, die eher die Stimmung verstärken, als das Geschehene zu erklären. Die Stimmen der Personen sind sehr leise und flüsternd oder verhallen im Nichts.

Ich habe jedenfalls einen ziemlich außergewöhnlichen Film gesehen. Es ist eher eine Phantasie- und Alptraummähr als ein Film mit stringenter Handlung. In schlafwandlerischer Trägheit folgt der Zuschauer dem Protagonisten durch seinen surrealen Traum, begegnet dabei Licht und Dunkel, Totenköpfen und Skeletten, verrückten, bösen Doktoren und einbeinigen Dienern. Und natürlich zwei wunderschönen und hochtraurigen Frauen, die gerettet werden müssen.

Aus Sicht der heutigen Sehgewohnheiten und mit zig Vampirverfilmungen im Hinterkopf, kann einen das Ganze natürlich nicht mehr groß schocken oder gruseln. Man sollte einfach die surreale Stimmung und die hypnotischen Bilder genießen und sich auf das Tempo einlassen.
Am Ende nimmt die Handlung dann doch noch mal richtig Fahrt auf. Und dem Bösen wird auf vielfältige und brutale Weise der Garaus gemacht. Yeah!

Mich hatte der Film schon am Anfang, als die Hauptfigur Allan Gray mit seinen schwarzen, zurückgegelten Haaren im Bett liegt und schläft. Und ein alter Mann hereinkommt und durch den Raum wandert und kryptische Sätze von sich gibt. Welcher Twin Peaks Fan ist fühlt sich da nicht an Dale Coopers Begegnungen mit dem lieben Riesen erinnert? Ob David Lynch hier mal reingeschaut hat? Ich glaube: Ja!

Es gibt auch ein paar schöne optische Tricks, die mich begeistern konnten. Der Protagonist ist plötzlich durchscheinend und sieht sein Selbst in einen Sarg eingeschlossen und durch die Gegend getragen werden. Ein Vampir wird gepfählt und verwandelt sich wie durch Zauberhand in ein Skelett. Sowieso: optisch ist der Film ein toller Augenschmaus für Menschen, die im Film nicht nur Spaß und Unterhaltung und Spannung suchen, sondern auch Lust auf Kunst haben. Ich habe die ganze Zeit auf einen Kurzauftritt von Salvator Dali gewartet.

Ich werde mir auf jeden Fall Hitchcocks Aussage zu diesem Film zu Herzen nehmen („the only film worth watching twice) und mir noch mal das Ganze mit dem Audiokommentar von Guillermo del Torro anschauen, den die tolle DVD bietet.

Euch empfehle ich natürlich auch: Guckt euch das an! Erwartet im Alten was völlig neues und lasst euch drauf ein.

Hinterlasse einen Kommentar